Es gehört zu meinen Grundbedürfnissen, wahrgenommen zu werden. Dabei geht es zunächst nicht um meine Eigenarten, die Stärken und die Schwächen. Es geht um meine ganze Person.

Andere sollen merken, dass ich da bin, dass ich Raum einnehme, dass ich atme, lache und weine. Sie sollen mich hören, sie sollen mit mir lachen und sich manchmal auch über mich ärgern. Manchmal auch dann, wenn ich müde und kaputt bin. Denn andere wahrzunehmen braucht nicht nur offene Augen, sondern vor allem ein offenes Herz.

Gemeindeseelsorge geschieht mitten unter den Menschen, wenn sie sich wahrhaftig begegnen. Wie Hefe den Teig antreibt, so weckt Seelsorge Menschen auf und lässt sie mit anderen als Gemeinde vierfach lebendig werden. Diese vier Lebensbezüge von Seelsorgewerden Ihnen hier vorgestellt. Vielleicht nehmen Sie dies zum Anlass, um in Ihrer Gemeinde über Seelsorge miteinander zu sprechen und Ihre seelsorglichen Erfahrungen auszutauschen!

Gemeindeseelsorge ist Alltagsseelsorge

Sie sieht den Menschen in der Vielfalt seiner vitalen Alltagsbeziehungen, eingebunden in Nachbarschaft, Familie, Vereine, seine berufliche Situation, sein bürgerschaftliches Engagement. Gemeindeseelsorge hilft Menschen dabei, sich in diesen verschiedenen Bezügen, in denen sie jeweils stehen, mit den eigenen Empfindungen und Werten lebendig wahr zu nehmen. Dies hat besonders in krisenhaften Situationen eine stabilisierende Wirkung. Ich kann mich selbst wahrnehmen und mich in Beziehung setzen zu vorhandenen Netzwerken, mich in sie einbinden und auch mitgestalten. Seelsorge öffnet mich für meine möglichen Lebensräume

Gemeindeseelsorge ist spirituell ausgerichtete Lebensbegleitung

Taufe, Trauung und Beerdigung sind Anlässe, in denen Fragen des Glaubens unmittelbar angesprochen werden. Auch in anderen Seelsorgegesprächen und Krisenbegleitungen wird die Beziehung zu Gott, so wie sie von den Ratsuchenden formuliert wird, im Gespräch aufgenommen und in ihrer Bedeutung und Tragfähigkeit, die sie für diese Person hat, vertieft. Gemeindeseelsorge ist mit dem gottesdienstlichen und diakonischen Handeln in der Gemeinde eng verknüpft und versteht sich als Dienst an dem einen Leib Christi. Seelsorge öffnet mich für meine Gottesbeziehung.

Gemeindeseelsorge ist Ermächtigungsarbeit an und für Ehrenamtliche

Gemeindeseelsorge richtet sich stets auch an diejenigen, die sich im Raum der Kirche ehrenamtlich aktiv einbringen. In einer bewussten Rollenklarheit, die zwischen leitenden und seelsorglichen Aufgaben unterscheidet, ist Seelsorge eine spezifische Zuwendungsform, die Mitarbeitende als Einzelne oder auch in ihrer Gruppe erfahren und aus der heraus sie selber die Kultur Ihres Redens und Handelns innerhalb der Gemeinde weiterentwickeln können. Daraus erwächst die Befähigung, füreinander zu seelsorglich hörenden Geschwistern zu werden. Seelsorge öffnet mich für mein eigenes seelsorgliches Potential.

Gemeindeseelsorge ist Arbeit an der eigenen Identität

Seelsorge bedeutet auch immer Selbstsorge. Eigene Grenzen und gesellschaftliche Grenzen kirchlicher Arbeit zu erkennen und anzunehmen, und auch stets neu auszuloten, gehört zum professionellen beruflichen Selbstumgang für alle, die mit Gemeindeseelsorge beauftragt sind. Dadurch bleiben sie sensibel und hellhörig für Veränderungen in Kirche und Gesellschaft und zugleich lebendig und wach für die inneren Wahrnehmungen und Empfindungen. Seelsorge lässt mich wach und fürsorglich sein für mich selbst.

Chatseelsorge

Zusätzlich gibt es die Chatseelsorge. Unter www.chatseelsorge.de bietet die evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers in Kooperation mit der evangelischen Kirche im Rheinland ein Online-Seelsorge-Angebot an, das sich der gleichzeitigen Kommunikation des Chats im Internet bedient.

Quelle: Zentrum für Seelsorge und Beratung der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers